TYPO3 Neos wurde vor kurzem veröffentlicht und kann als Version 1.0 Alpha 1 heruntergeladen werden. Bei dieser Versionsnummer darf man keine Wunder erwarten, Bugs und Unstimmigkeiten sind normal und werden wohl bald behoben sein. Dennoch weckt eine Version 1.0 aber gewisse Erwartungen, was die Funktionalität angeht. Ob sie erfüllt werden, soll dieser Artikel aufzeigen.
Es ist mir klar, dass diese erste Version sich an Entwickler und Interessierte richtet, die einfach neugierig sind, wohin die Reise geht. Ganz sicher ist sie nicht geeignet, Webseiten für die eigene Agentur damit zu machen (ausser man ist Masochist), geschweige denn, sie gar für Kunden-Projekte und Aufträge zu verwenden.
Da das Paket als ZIP-Datei angeboten wird, könnte jemand auf den Gedanken kommen, es würde auch unter Windows funktionieren. Dem ist nicht so, es enthält symbolische Links, die unter Windows nicht funktionieren. (Ein Kommentator meint, es funktioniert auch mit Windows, man müsse nur den Trick kennen.) Zum Ausprobieren benötigt man also entweder Mac OS X oder Linux. Ich habe es mit Ubuntu 12.04 in Verbindung mit xampp 1.7.7 installiert (PHP 5.3.7). Mit xampp 1.8.1 (PHP 5.4.7) funktionierte die Installation nicht, es erschien lediglich HTTP Error 500. Den Gründen hierfür bin ich aber nicht weiter nachgegangen.
Die Installation läuft reibungslos ab und macht einen recht professionellen Eindruck, man wird wirklich neugierig auf das neue System. Wer sich mit Installation nicht herumschlagen möchte – die bekannten TYPO3-Hoster Mittwald und jweiland.net bieten bereits kostenlose TYPO3 Neos Test-Accounts an.
Die Euphorie weicht aber recht schnell der Ernüchterung, wenn man sich am System anmeldet und damit arbeiten will. Das Package Management, mit dem man Plugins hinzufügen oder löschen können soll, beantwortet einen Klick leider mit einem PHP-Fehler.
Fatal error: Call to undefined method TYPO3\Flow\Package\MetaData::getTitle()
Dieser Bug ist bereits bekannt. Schade, gerade das hätte mich natürlich sehr interessiert. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden und das System weiter zu erforschen.
Update 12.10.2012: Jochen Weiland stellt unter der Domain neos-test.de eine Test-Umgebung für TYPO3 Neos bereit. Dort ist der Bug bereits gefixt, während der Bugreport selbst aber keine Hinweise enthält, wie das zu reparieren ist. Leute, lasst uns nicht dumm sterben…
Update 12.10.2012: Nein, wir sterben nicht dumm. Martin Helmich von Mittwald Medien hat einen Patch veröffentlicht, der das Problem behebt. Vielen Dank dafür. Und ein Kopfschütteln darüber, dass eben dieser Patch nicht da ist, wo er eigentlich hingehört, nämlich in den Bugtracker.
Grundsätzlich wird immer direkt auf der Webseite gearbeitet (In-Site-Editing), das gewohnte Backend gibt es nicht mehr. Alle Änderungen wirken sich nicht direkt auf das Live-Web aus, sondern sind nur lokal sichtbar. Will man Textänderungen publizieren, muss man dies explizit tun (Workspaces). Im Prinzip ein gutes Konzept, das aber (noch) keinerlei Workflow (Prüfung durch Chefredakteur vor Publizierung) aufweist.
Inhaltselemente werden in Sektionen (Sections) unterteilt. Jede dieser Sections kann beliebig viele Inhaltselemente aufnehmen. Ein grosses Problem bei dieser Version ist jedoch, dass man Sections und Elemente zwar anlegen kann, sie aber nicht mehr los wird. Man kann sie nicht verschieben, löschen oder umbenennen, jedenfalls habe ich nichts dergleichen gefunden. Wobei im Falle der Inhaltselemente aber Schaltflächen zum Löschen, Ausschneiden und Kopieren vorhanden sind, die aber offenbar noch funktionslos sind.
Noch schlechter sieht es mit dem HTML-Code aus, den Neos derzeit generiert. Eine simple Überschrift sieht zum Beispiel aus wie folgt. Alle Inhaltselemente weisen leider dieselbe Struktur auf.
<div id="cf0467a2a-5390-4acb-a213-60ed30c156f6" class="t3-contentelement typo3-phoenix-contenttypes-headline"> <div> <h2>Developer Happiness For The World</h2> </div> </div>
Ich würde mir die ID und die CSS-Klassen natürlich im H2-Tag wünschen, aber keinesfalls dass dieser gleich von zwei DIVs eingeschlossen wird. Hier gibt’s noch viel zu tun.
Das „neue“ TypoScript habe ich mir noch nicht angesehen, hier braucht es einfach mehr Zeit, um eine fundierte Aussage zu treffen. Mit ein paar Worten ist ein solch komplexes Thema nicht abzuhandeln.
Fazit
Dokumentation ist derzeit für TYPO3 Neos überhaupt nicht kaum aufzutreiben. Ein Manko das dem System wahrscheinlich negative Kritik bescheren wird, negativer als es das eigentlich verdient hat. Die Versionsnummer 1.0 ist aber doch reichlich übertrieben, auch wenn Alpha 1 dahinter steht. Version 0.1.0 wäre wohl angebrachter gewesen und hätte dann auch übertriebene Erwartungen etwas gebremst.
Das System hat durchaus gute Ansätze, und wenn man ihm noch ein oder zwei Jahre Zeit gibt, wird es auch produktiv einsetzbar sein. Die Frage ist nur, was bringt es? Wenn es irgendwann fertig ist, wird es etwas sein, was mit Drupal 7 bereits heute zur Verfügung steht. Ich werde deshalb das Gefühl nicht los, dass man Geld und Manpower vielleicht doch besser in die Entwicklung der im Herbst erscheinenden TYPO3 Version 6 (der neue Name ist dann wohl TYPO3 CMS) gesteckt hätte.
Denn eines dürfte klar sein: „TYPO3 Neos“ ist eine direkte Konkurrenz zu „TYPO3 CMS“. Wer will schon Konkurrenz in der eigenen Familie? Auf die unglückliche Namensgebung möchte ich hier gar nicht weiter eingehen. Nur soviel: Ist „TYPO3 Neos“ etwa kein CMS? Es wird einigermassen schwierig werden, das zu erklären…
ich bin wirklich enttäuscht, dass die Jungs nach 6 Jahren Arbeit ein so schlechtes System gemacht haben. Ich habe die Beta Version ausprobiert. Darf es sich überhaupt Beta nennen?! So ein buggy, unfertiges und benutzerunfreundliches System habe ich noch nie gesehen. Ich verstehe wirklich nicht, welche Vorteile Neos haben soll. Warum nicht Drupal oder TYPO3 CMS nehmen?
Ein CMS welches das Frontend-Editing schon besser beherrscht findet sich hier:
http://shwups-cms.ch/de/cms
In Gegenteil, unter XAMPP unter Win7 läuft neos ohne Probleme, vorausgesetzt man kennt den Trick mit dem Umnennen der Symlink-Dateien. Das wurde von meinem Kollegen Thomas Geyer im Kommentar zu einem t3n.de-Artikel beschrieben.
Bisher haben wir durchweg einen guten Eindruck, es gibt hier und da kleinere Fehler mit den Klassenbenennungen im eigenen Template oder jQuery-Kollisionen im Backend, aber eigene Contentelemente oder eigens erweiterte Seiteneigenschaften sind leichter als mit einem anderen CMS umgesetzt. So fern das Template als ganzes vorliegt braucht man nur wenige Stunden und alles davon ist pflegbar inkl verschiedener Menüs.
Nur weiter so Core-Team. Bugreports kommen nächste Woche.
Ein Tweet von Robert Lemke am 9.10.2012 scheint mir recht bemerkenswert zu sein:
Hmm. Ich finde in einer „Familie“ sollte das jüngste „Kind“ nicht gleich nach der „Geburt“ in die Welt hinaus schreien, besser als die „Eltern“ sein zu wollen. Wie wär’s wenn erst einmal die grundlegendsten Funktionen implementiert werden würden? Anschliessend kann man immer noch ohne Ende über drastically faster philosophieren. Ich habe das Wort drastically in meiner „TYPO3-Laufbahn“ einfach schon zu oft gehört, sorry.
Ich hoffe und warte auf das Release von TYPO3 CMS Version 6 am 27.11.2012 und wünsche dem Team hier gutes Gelingen. Denn in diesem CMS kann ich den HTML-Output auf zuverlässige Weise steuern und das Ergebnis entspricht dann meinen Erwartungen.