Zahlen lügen nicht, aber Lügner können zählen, sagt eine Weisheit aus Kanada. Zahlen haben immer einen so objektiven Anschein. Mit kleinen Tricks kann man aber fast jede Statistik frisieren. Ich hoffe dennoch, die verfügbaren Zahlen so objektiv wie möglich dargestellt zu haben. Lügen und frisieren würde mir auch nicht viel bringen, weil es mir ja gerade darum geht, herauszufinden, was die Zukunft für TYPO3 bringen wird.
Die TYPO3-Association stellt rechtlich einen eingetragenen Verein dar und kassiert von ihren Mitgliedern Beiträge, um damit die Weiterentwicklung von TYPO3 zu finanzieren. Das ist völlig normal und richtig, irgendwo muss das Geld ja herkommen. Schauen wir uns einmal an, wer wieviel bezahlt. Ich habe für die folgende Tabelle die Anzahl der Mitglieder mit den geforderten Beiträgen multipliziert. Das sind sicherlich keine völlig exakten Zahlen und natürlich stellen diese Summen nicht die Gesamteinnahmen dar, aber für unsere Betrachtung reicht das trotzdem völlig aus.
TYPO3 Association — Mitglieder der Association (Stand: 7.3.2014) | ||||
Mitgliedschaft | Beitrag pro Jahr | Mitglieder | Summe | Gesamtsumme |
---|---|---|---|---|
Platinum | 10.500 € | 8 | 84.000 € | |
Gold | 2.100 € | 91 | 191.100 € | 275.100 € |
Silber | 770 € | 280 | 215.600 € | |
Bronze | 105 € | 470 | 49.350 € | 264.950 € |
Es fällt auf, dass die Gruppe der Platinum- und Gold-Member in etwa gleich viel zum Gesamt-Beitragsvolumen beiträgt wie die der Silber- und Bronze-Member. Was ich bezweifle ist, dass sich auch das Gewicht ihrer Stimmen gleicht. Der Einwand, dass nämlich diejenigen, die am meisten zahlen, auch am meisten zu sagen haben sollen, sticht hier nicht. Denn erst eine grosse Zahl von namen- und stimmenlosen Anwendern macht ein System wie TYPO3 populär und damit ertragreich. Ich behaupte daher, dass eine relativ kleine Gruppe hier die überwiegende Mehrheit der kleinen Agenturen und Freelancer dominiert und die Marschrichtung vorgibt. Was kein Problem wäre, wenn alle dasselbe wollen. Aber ist das so? Das ist die Frage. Ich bin mir da nicht so sicher.
Absolut sicher bin ich mir indes bei den folgenden vier Aussagen:
- TYPO3 muss permanent weiterentwickelt werden, und es müssen auch neue Wege beschritten werden.
- Das jetzt vorhandene Geld wird fast ausschliesslich mit den „alten“ TYPO3-Versionen verdient.
- „TYPO3 CMS“ und „TYPO3 Neos“ sind im Endeffekt Konkurrenz-Produkte, von denen eines das andere vom Markt verdrängen wird. Eine Koexistenz ist nur schwer vorstellbar, weil sie ein identisches Marktsegment bedienen.
- Alte und neue Versionen sollten gleichermassen weiterentwickelt werden, damit am Ende der Markt entscheiden kann, was sich durchsetzt.
Die Realität sieht aber, wie so oft im Leben, etwas anders aus, was folgende Tabelle veranschaulicht.
TYPO3 Association — Financial Statements (Beträge in Schweizer Franken). | |||
Jahr | TYPO3 Version 4.x | TYPO3 Phoenix (Neos) | Verhältnis v4 : v5 |
---|---|---|---|
2008 | 35.013,20 SFr | 72.384,60 SFr | 32,60% : 67,40% |
2009 | 54.080,10 SFr | 184.598,85 SFr | 22,66% : 77,34% |
2010 | 67.899,48 SFr | 208.486,95 SFr | 24,57% : 75,43% |
2011 | 93.713,73 SFr | 243.173,65 SFr | 27,82% : 72,18% |
2012 | 71.286,35 SFr | 246.101,93 SFr | 22,46% : 75,54% |
2013 | 0,00 SFr | 156.856,70 SFr | 0% : 100,00% |
Summe | 321.992,86 SFr | 1.111.602,68 SFr | 22,46% : 77,54% |
TYPO3 Version 4.x hat also über den Zeitraum von vier fünf sechs Jahren nur rund ein Viertel des Kuchens abbekommen, während der Rest in TYPO3 Neos investiert wurde. Darüber kann man unterschiedlicher Ansicht sein und trefflich darüber streiten. Tatsache ist, dass das TYPO3 Neos Entwickler-Team Geld benötigt. So ein Projekt kann man nicht an Wochenenden und am Abend programmieren. Aber warum tragen die Entwickler nicht selbst das Risiko und bürden es stattdessen der gesamten TYPO3-Community auf? Denn eines ist gewiss: Geht TYPO3 Neos den Bach ‚runter, bleibt das an der gesamten Marke TYPO3 hängen. Schon klar, anders herum gilt das auch, aber wer will das voraussehen? Folglich hätte ich es weitaus lieber gesehen, die Entwickler hätten ihr Projekt auch selbst finanziert und das Risiko alleine getragen. Den möglichen Erfolg natürlich gerne auch.
Bitte nicht vergessen: TYPO3 wurde von einem einzigen Mann (Kasper Skårhøj aus Dänemark) entwickelt, ohne dass dieser auf ein grosses Budget zurückgreifen konnte. Seit dem Jahr 2000 wurde es von einer starken Community mit einem schier unglaublichen Enthusiasmus zu einem der leistungsfähigsten CMSe weltweit gemacht. Ist das neuerdings alles Schnee von gestern? Geht es heute nur noch um’s Geld? Ist TYPO3 derzeit zum Spielball grosser Web-Agenturen und arrivierter Einzelpersonen geworden, denen es nur um Marktanteile und Dominanz geht?
Welches System auch immer man verwendet, es geht nicht um die „Schönheit von Code“, die verwendeten Bibliotheken oder gar um „Glaubensfragen“ nach dem Motto „TYPO3 auf Teufel komm raus“. Letztlich geht es bei Webentwicklung immer nur darum, ein Werkzeug zur Verfügung zu haben, das auf effiziente Weise HTML-Code generiert. Eine Tatsache, welche die Programmierer bei Plone schon missachtet haben. Der HTML-Code, den ich bislang bei TYPO3 Neos gesehen habe, hat mich nicht überzeugt. Kein bisschen.
Meine Stimme und Sympathie gehört daher dem Entwickler-Team von TYPO3 CMS Version 6, das kürzlich in der Mailingliste von sich gesagt hat „We are a small, but active and visible team!“ Wenn diese Version es nicht schafft, gibt es für mich gar kein TYPO3 mehr, denn TYPO3 Neos benötigt zur Markreife noch ein bis zwei Jahre – so lange kann und möchte ich nicht warten.
Update 20. Oktober 2012: Bezüglich der Budget-Anträge für das Jahr 2013 findet derzeit eine ziemlich kontroverse Diskussion statt. Eine ganze Reihe von Leuten sind absolut nicht damit einverstanden. Es sollten möglichst viele Leute ihre Meinung dazu schreiben. Es kann nicht angehen, dass eine kleine Elite sich einfach nimmt, was sie für nötig erachtet und nach Etablierung des Produkts erneut die Hand aufhält, für Schulungen, Workshops und dergleichen. Das hat nämlich nicht mehr viel mit dem Geist zu tun, der einst innerhalb des TYPO3-Projektes herrschte.
Update 25. April 2013: Die Tabelle mit dem Vergleich der Ausgaben TYPO3 Version 4.x vs. TYPO3 Phoenix (Neos) wurde aktualisiert, da die Zahlen für das Jahr 2012 jetzt vorliegen. Es ergibt sich jedoch kein anderes Bild. Wie zu erwarten war, verschieben sich die Zahlen erneut, wenn auch nur geringfügig, zugunsten der TYPO3 Neos Fraktion.
Update 7. März 2014: Die Tabelle wurde erneut aktualisiert, weil nun auch die Zahlen für das Jahr 2013 vorliegen. Viel scheint man nicht dazu gelernt zu haben. Insgesamt wurden 1,1 Millionen SFr über einen Zeitraum von sechs Jahren in die Entwicklung von TYPO3 Neos investiert, in ein CMS das auch heute noch kaum praxistauglich ist. Teilt man diese Summe durch 72 Monate, so kommt man auf einen Betrag von exakt 15.438,92 SFr — Monat für Monat, sechs ganze Jahre lang. Ein auskömmliches Sümmchen…
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