Jeden Tag ist fünf vor zwölf

MUS am Morgen, MUS am Abend und sogar auf dem Klo.

Die Trompeten von Jericho tröten irgendeine Intro.

Ich renne zur Fernbedienung: Der Nachbar schläft vielleicht noch. Oder ist woke. Und ich bin dann der Nazi.

Alles dreht sich, alles bewegt sich. Danach ist nichts mehr zu hören.

Ach so, die Protagonisten werden ja leiser gestreamt. Fernbedienung…

Es ist alles zu viel, zu lang, zu laut, zu bunt, zu krawallig.

Ein Abo soll ich abschließen, weil das supergünstig ist und ich zwei ganze Monate spare, wenn ich gleich für ein Jahr bezahle.

Aber das muss schnell gehen – bis Ende des Monats!

Hoffentlich schaffe ich das.

Natürlich nicht – aber welch ein Riesenglück:

Im nächsten Monat gibt es das Gottseidank gleich nochmal.

Das muss jetzt auf die To-do-Liste ganz nach oben. Ich brauche das gleiche Gezappel unbedingt nochmal in meiner Mailbox, sonst vergesse ich womöglich, was der Bundeskanzler wieder versprochen und nicht gehalten hat.

AUF nach Österreich.

Ein Mann mit stahlhartem Blick schaut aus dem Noarnkastl.

Er hat zwei Aktenordner in der Hand.

Kameraführung wie bei XY ungelöst.

„Was Sie jetzt gleich erfahren werden …“

Trommelwirbel. Spannung. Gänsehaut.

Doch erst muss ich die Friedensmedaille kaufen, damit sich endlich etwas bessert auf dieser Welt.

Ich soll dranbleiben bis zum Schluss, um das Unfassbare zu erfahren.

Es kommt ein Studiogast.

Die Aktenordner liegen auf dem Tisch.

Bleiben Sie dran!

Friedensmedaille. Spenden Sie! Sonst müssen wir aufhören. Bloß das nicht!

Noch ein Studiogast.

Dann endlich: Mir gefriert das Blut in den Adern.

Die Aktenordner.

Ein neues Watergate? Neue Snowden-Files?

Nein – in China ist ein Sack Reis umgefallen, alle Körner für immer verloren.

Noch fassungsloser als die meisten Deutschen – China liegt schließlich ganz in meiner Nähe – erfahre ich, dass es morgen mit Hintergrundinformationen und neuen Gästen zum Thema weitergeht.

Alles wird zusammenbrechen!

Jedes Thema ist furchtbar wichtig und duldet keinen Aufschub mehr.

Alle wollen mich informieren, aufklären, aufwecken und nur mein Bestes.

Aber ich bin doch schon wach – eben erst aufgestanden, es ist gerade mal 6:00 Uhr.

Ist Europa schon untergegangen? Gibt es den Euro noch?

Dr. Crash sagt es mir.

Es gibt beides noch – aber nicht mehr lange.

Deshalb muss ich den Kanal abonnieren und die Glocke aktivieren.

Logisch, wie soll es ohne das klappen?

Es geht um dein Geld, Menschenskind – hoch mit dem Arsch!

Ja, ja … gleich.

Dann kommt ein ganz wichtiger Experte, der bestimmt viel weiß, auch wenn ich ihn noch nie zuvor gesehen habe.

Ich soll sein Buch kaufen, damit er nicht aufhören muss, der Ärmste.

Aber Amazon liefert keine Paperbacks nach Thailand.

Eine Kindle-Version gibt es nicht.

Was soll ich nur tun?

Leute … Liked mich doch am Arsch!

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist linkslastig und verlangt Zwangsgebühren.

Von mir nicht, weil ich nicht mehr in Deutschland wohne (hoffentlich kommt da niemand auf irgendwelche Gedanken).

Ja, die alternativen Medien sind wichtig, ohne Zweifel.

Sie decken manches auf.

Ohne sie wäre es wahrscheinlich noch schlimmer in Deutschland – geht das?

Aber … uff.

Ich weiß, niemand kann dauerhaft guten Inhalt kostenlos produzieren – es sei denn bei einem Hobbyprojekt und aus Leidenschaft.

Finanzierung alternativer Medien muss folglich sein, auch durch Spenden.

Aber viele tun so, als ginge es um Aufklärung, während es längst hauptsächlich ums Geschäft geht.

Sie reden von Wahrheit, meinen aber Reichweite.

Und genau das macht müde.

Doch es gibt Ausnahmen. Leise. Unaufgeregt.

Menschen, die nicht trommeln müssen, um gehört zu werden.

Der Kontrafunk ist so eine Ausnahme.

Da denkt man am Ende nicht: „Ja genau, so isses!“, sondern man muss verstehen – und nachdenken.

Das ist Radio – man kann zuhören während man etwas anderes tut:

Autofahren, Einkaufen, Hausarbeit. Keine Reizüberflutung.

Keine blinkenden Call-to-Actions. Kein Alarmismus.

Radio – statt Zappelvideo.

Gesprächsrunden, in denen auch mal kontrovers diskutiert wird, aber man lässt sich ausreden.

Man redet nicht nur zum Publikum, sondern bei öffentlichen Veranstaltungen auch mal mit ihm.

Man hört sich zu, man denkt nach.

Keine Animation, keine Breaking News, keine Angstkulisse.

Sie brauchen auch Geld – natürlich. Aber es wird nicht alle fünf Minuten lautstark gefordert.

Die Rechtsform ist die einer schweizerischen Aktiengesellschaft.

Die Bilanz wird amtlich hinterlegt und die Geschäftsleitung ist gegenüber den Aktionären rechenschaftspflichtig und sonst niemandem.

Vielen Dank fürs Lesen –

und bitte den Kanal abonnieren und die Glocke …

Ach so, das ist ja nur ein Blog.

Soll ich einen Background-Sound einbauen? Mit Random-Timer?

Damit Sie nicht einschlafen?

Nicht gut? Ja, zu altmodisch.

Okay, dann eben ein kleines Video mit Sound und Autoplay in Endlosschleife?

Ja, damit einem beim Lesen nicht langweilig wird.

Prozess beendet. Exit code 0.

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