Als Google Street View in Deutschland eingeführt werden sollte, ist die deutsche Öffentlichkeit, aufgestachelt von einer Regierung, die so gut wie keine Ahnung von den technischen Zusammenhängen hatte (ist ja auch Neuland), hysterisch auf die Barrikaden gegangen. Eine völlig wirre Überwachungspanik machte sich im Land breit, die bei einigen zu so etwas wie „feuchten Überwachungsträumen“ wurde: Unvergessen der Polizeigewerkschafter, der per StreetView auf Streife gehen wollte und damit nichts als die eigene Unwissenheit dokumentierte.
Dass Hacker-Terroristen ein AKW zur Explosion bringen, die Stromversorgung unserer Städte kappen oder Klärwerke stoppen, um die Bevölkerung zu vergiften, sind reale Bedrohungsszenarien. — Wendt zur OZ, Bürgersicht aus Hopfenhausen
In Deutschland konnte dieses „Bedrohungsszenario“ ein wenig zurückgedrängt werden, zumindest was Street View betrifft und wie obige Karte klar dokumentiert. Für Deutschland heißt es da lapidar: „Landesweit keine Fahrten“. In großem Stil wird stattdessen zur Zeit Mexiko erstmals erfasst. Thailand ist es schon. Mein Kater ebenfalls.
Das ist nicht zuletzt wohl auch wackeren Rentnern zu verdanken, die 2010 schon einerseits einen Bürgerprotest gegen Google (was ja ihr gutes Recht ist) organisierten, sich andererseits dann aber für die Zeitung vor genau dem Haus ablichten lassen, das bei Google Street View natürlich verpixelt werden soll. An einem einzigen Tag sei dieses Foto mehr als 30.000 Mal angeklickt worden. Einbrecher lesen wohl keine Online-Zeitungen. „Cyber-Terroristen“ verlassen sich ausschließlich auf Google Street View. Irgendwie kann ich Google da verstehen, ich hätte auch keine Lust dauernd Häuser unkenntlich zu machen…
Für alle, die das noch nicht wissen sollten: Das Bildmaterial bei Google Street View ist statisch. Da fliegt kein dedizierter Satellit herum, der in Echtzeit deutsche Vorgärten ablichtet. So etwas gibt es nur bei Staatsfeind Nr. 1. Dort kann man dann ein 300 × 300 Pixel großes JPG Bild dergestalt vergrößern, daß man die Uhrzeit auf der Tankquittung lesen kann, die jemand in der Hand hält. Bloß in Wirklichkeit geht das halt nicht. Ein offenes Fenster bei Street View war vielleicht vor drei Jahren offen. Stirbt mein Kater morgen (was Buddha verhüten möge), so steht er wahrscheinlich bei Street View auch in zwei Jahren noch da und starrt den Google-Wagen an. Keine Chance für Katzendiebe. Für Einbrecher auch nicht. Trotzdem scheint Deutschland Google Street View nicht zu wollen – außer natürlich im Ausland, um den nächsten Urlaub zu planen. Ich sehe keine Verletzung der Privatsphäre, wenn die Fassade eines Hauses bei Street View zu sehen ist. Jeder kann daran vorbei laufen und es sich betrachten, so lange er will und in höchster Auflösung.
Privatsphäre ist wichtig, daran zweifelt niemand. Allerdings habe ich vor Konzernen diesbezüglich kaum Angst. Die wollen Geld verdienen und insofern sind sie kalkulierbar. Die kostenlosen Dienste von Google nehme ich gerne in Anspruch. Was mir viel mehr Angst macht ist, dass eine deutsche Regierungschefin das Internet, 25 Jahre nach seinem Entstehen, als „Neuland“ bezeichnet, das Abhören ihres eigenen Mobiltelefons weitgehend achselzuckend hingenommen wird (auch von der Bevölkerung) und sie trotzdem wieder gewählt wird. Das ist wohl das wirkliche deutsche Problem.